PREMIEREN DER UNWIRKLICHEN ART.. WARUM EIGENTLICH IMMER NOCH CAFE BAR MOKKA? UND SONSTIGE GEDANKEN AUF 2 SEITEN ZUM MONAT MÄRZ 2011
Premieren gibt es auch im 25. Jahr von CAFE BAR MOKKA immer wieder: Bei einer Lesung mit einer Thun–Mokka realistischen BesucherInnenzahl von 24 Personen, sassen 4 junge Frauen mit I-Phones und streichelten, was das Zeugs hielt, ihre Smartphones, zeigten sich dauernd neue Tools und kommentierten sie in Zimmerlautstärke und quatschten cool wie in der Szenenbar… Für mich als Tontechniker und Mokka-Inventar eine wirklich neue Erfahrung, quatschen bei einer Lesung! Irgendwie glaubt man es nicht und warum diese Frauen, die ich vorher noch nie gesehen habe, gerade an diese Lesung kommen, ist und bleibt mir ein Rätsel und macht auch keinen Sinn. Am nächsten Tag dann Premiere Nr. 123: Auf der Bühne rocken 69 Chambers, eine Konzertbesucherin die von ihrem, vor der Bühne mächtig mitrockendem, Freund wohl mitgeschleppt wurde, sitzt mit dem Handy in der Hand… was denn sonst?! ziemlich abgelöscht am kleinen Bistrotisch neben der Regie, plötzlich nimmt sie eine Haarbürste aus der Tasche und öffnet ihre zusammengebundenen Haare und beginnt, die halbmeterlangen Haare auszubürsten… aber richtig amtlich, 5 Minuten, 10 Minuten… unglaublich.. Toilette erledigen in einem Konzertlokal, an einem Samstagabend um 22.00 Uhr…!! wo führt das hin..?? Da ist Premiere 124 doch nur noch eine Fussnote… Am Tag darauf, es war der Sonntagnachmittag, ich war in der Küche etwas am werken als ein jüngerer Mann das Haus betrat.. nach dem hin und her, warum wir noch nicht geöffnet haben und doch Musik läuft,bla, bla, bla… wollte er eine Toilette benutzen, was wohl sowieso der Hauptgrund seines Planes war. Später checkte ich kurz die Toilette im ersten Stock… und? Waseli,was..? Der ganze Boden war verpisst, subere Giu, merci de ämu, gäu..! Was müssemer eigentlich no aues ertrage? Das geit mängisch uf ke Chuehutt meh, simer ehrlech. I chönnt chotze, i settige Momänte oder mir ä 9mm Pischtole asetze!
Wer über die Jahre regelmässig die Editorials von mir gelesen hat, kann die Veränderung in unserer Gesellschaft in den Texten mitverfolgen und die Art und Weise der Texte lassen Rückschlüsse auf die Befindlichkeit des Schreibers zu. Angefangen zu Schreiben habe ich per Zufall und bis vor wenigen Jahren schrieb ich immer von Hand und jemand musste meine Schrift lesen können und die Schreibe eintippen. Das zweite Schreibgerät, ca. 1988, war wie eine Revolution… Eine elektrische Schreibmaschine, die 2 Zeilen speichern konnte, damit konnte man noch Korrekuren machen in diesen Zeilen, in einem modernen Design, das ein wenig nach einem Lotus Elan Sportwagen aussah… Stefan Tobler, der Mokka Ur-Bürolist sass strahlend-entrückt wie ein Opiumraucher an seinem Bürotisch und war nur glücklich ab soviel Fortschritt! Tobler hat später mit Computerprogrammen gute Kohle gemacht und ist heute ein ausgelasteter Consulter mit Arbeitsschwerpunkt Asien. Der erste Computer kam wohl Ende der 80iger Jahre auf einen Mokka Bürotisch und der konnte eigentlich nichts mehr als die Schreibmaschine davor.. Bedient wurde der von Rosmarie Leu, meiner langjährigen guten Büro Seele. Mein erster Computer war ein Laptop Z-Star 433 (PC 486 DX/2 66 MHz / PCI 8 MB RAM / 540 MB HARDDISC / 3.5 FLOPPY / 15“ MONITOR mit DOS 6.22 / WINDOWS 3.11 / SDS ORDERING SYSTEM). Gekostet hat das damals, 1995, ganze Fr. 2500.-.. Verstanden habe ich null und nichts davon, ich probierte meistens um 5-6 Uhr morgens, ziemlich zugedröhnt, irgendetwas mit der Kiste anzufangen und meistens konnte ich sie nicht mehr abschalten und musste dann meinem Sohn, der 14 Jahre alt war, einen Zettel schreiben, das er doch bitte das Teil abschaltet bevor er in die Schule ging…. Die Kids haben sich dann dem schicken Teil angenommen und ihn mit Computerspielen und Viren unschädlich gemacht… Aber probiert habe ich es zumindest und der Wille war da.
Das die Entwicklung vom Bürohilfsmittel zum Multimediatool so rasant gehen würde, wie wir das die letzten Jahre erlebt haben, hätte sich vor Jahren niemand zu denken getraut… 1987 konnte man in der Kopierabteilung der Papeterie Schaer an der Bahnhofstrasse (heute Stadtbibliothek) auf einem Kopiergerät 141% vergrössern, was aber Fr. 2.- pro Arbeitsgang kostete und nach 2×141% Vergrösserung aussah wie eine Übertragung der Bilder von einer Mondmission. Im gleichen Jahr erhielten wir von Polydor Schweiz, 10 Promo LP`s für die Show mit Element of Crime, einer unbekannten Band aus Berlin… Von der Konzertagentur wurden uns 100 Plakate in Weltformat! (für Thun) zugeschickt… Der Deal mit der Band war etwas um Fr. 400.-, die Show, dem Namen der Band entsprechend, im Mokka Keller gespielt, aber warf hohe Wellen und Element of Crime sind heute ein sicherer Wert in der deutschen Musikszene. Nicht viele der tausenden von Bands, die wir in 25 Jahren auf unserer Bühne präsentierten, sind richtig berühmt geworden, von den meisten hat man nie mehr etwas gehört, obwohl sie uns als das neue grosse <Upcoming Thing> verkauft wurden.
Die genaue Zahl der aufgetretenen Acts werde ich wohl in diesem Jubiläumsjahr auch noch liefern können, obwohl das Interesse an der Geschichte eines Clubs wie CAFE BAR MOKKA relativ beschränkt zu sein scheint…. obwohl sich, während ich diese Zeilen schreibe, (es ist Sonntagnachmittag 27. Februar 2011) auf Facebook haufenweise Mokka NostalgikerInnen die Finger wund tippen und sich Bilder zuschicken aus ihren wilden Jahren und sich der Geschichtsfälschung hingeben, frei nach dem Motto: weisch no denn..???? Da fällt mir einer meiner <Lieblings Songtitel Ever> ein… Im Jahr in dem ich schlief. Die deutsche Rockband Jupiter Jones hat diesen Song 2009 veröffentlicht und diese Band ist diesen Frühling, mit der Promotions Maschine von Sony-Columbia im Rücken, in Deutschland auf Tour. Grossartige Songs mit noch grösserem Ohrwurm Effekt, das müsst ihr einmal auschecken: http://www.columbiaberlin.com/factsheet/jupiterjones/
Die Freude an der Musik ist es letztendlich, die es mir ermöglicht so lange dran zu bleiben, denn 25 Jahre aushalten ist ja nicht wirklich ohne… Da ist viel Scheisse zu ertragen, da sind neben all den aufbauenden Erlebnissen, sehr viele Entäuschungen, meist menschlicher Art ein- und wegzustecken.
Wo ich die Energie für alles hernehme? ist eine vielgestellte Frage und wenn ich es mir genau überlege, weiss ich nur: wenn man viel macht, erträgt man viel und steckt die schlechten Momente besser weg. Für mich ist ein Tag eine unmittelbare Einheit, die mit dem Aufstehen anfängt und mit dem zu Bett gehen aufhört und dazwischen vieles möglich macht, aber immer bringt der nächste Tag die Chance zum Besseren oder zum Neuen. Zu meinem Glück bin ich ein Emotionshaufen der das Leben in vielen Facetten auslebt, jeden Tag glücklich, erfreut, traurig und ist und immer die Freude an den kleinen Sachen bewart hat… Zudem habe ich eine gute Gesundheit und war in all den Jahren höchstens ein paar Tage krank. Das Bewusstsein, das wir dieses Jahr eben das ominöse 25 Jahre Jubiläum haben, macht mich schon etwas müde, habe z.b. seit Wochen ein lahmes Bein und komme mir vor wie der Ober Opa, was ich natürlich sowieso bin. Der Monat Februar 2011 war aber wieder so etwas wie die Härte, der wirtschaftliche Vollabsturz, Leere wohin das Auge sieht und so beschissen wie man es seinem besten Feind nicht wünscht. Wenn ich es nicht erleben würde und aushalten müsste, würde ich es nicht glauben.. Thun ist so eine Scheissstadt geworden.. Das Einzige was in dieser Stadt wirklich zieht, sind Drogen in allen Formen, Mittelmass, Konsum und Rechtspopulismus. Wir haben im Fall eine explodierende Zahl von jungen Nazis hier in Thun, darauf können wir aber nicht wirklich stolz sein.
Die nächsten Tage muss ich mich mächtig <Self Kick Ass-en>, weil doch noch einiges zum historischen Clubjahr getan werden muss….. Da stehe ich dann an einem trümmligen Montagmorgen auf und sage mir: So, ANLIKER, heute ist dein Tag, heute machst du alles möglich, heute erledigst du Altlasten und überzeugst Den und Die und nimmst dabei alles an Cliches, die du ausgraben kannst, zu Hilfe und es kommt gut!! Also, dann erstmal in das Cafe Mani’s und die, meist schlechten, News in den Zeitungen entziffern… Und wenn ich dann die Türe zum Club öffne ist nur noch die Hälfte der mentalen Kraft vorhanden… Nicht weiter schlimm, ich bin zwar ein grosser Zweifler aber habe ein gesundes Urvertrauen und weiss, was ich schon alles erreicht habe in meinem Leben mit, z.b. die Existenz von CAFE BAR MOKKA über eine sehr lange Zeit. Was genau in diesem Jahr noch passieren wird, ist zum Glück immer noch diffus, verschwommen und ungewiss… Das lässt vieles offen und wenn mir das Glück hold ist, könnte es sogar bombastisch werden… Ideen habe ich natürlich schon… Aber ich bin zu 100% Realist und nur selten wirklich Träumer… Schade eigentlich, aber wenn man monatelang desolateste Kassen abrechnet und einen leeren Club zu ertragen hat, vergeht einem das Träumen, auch in den schönsten Räumen…..
Für die nächsten Wochen bin ich aber sehr zuversichtlich, das MÄRZ 2011 Programm liegt vor und ist nicht von schlechten Eltern und es kann ja nicht sein, dass es wieder interessiert kein Schwein…..
Wir hoffen auf kalte Temperaturen und Schnee, trinken unseren Tee, füttern die Meisen und leben friedlich neben den Geleisen……
Auf einen guten Monat März hebe ich die Evian Flasche und packe die DJ Tasche!!!
Liebe Grüsse schickt euch euer MC ANLIKER Bergführer Massiv Mokka Thun