November 2002

Musik und Cola (flüssig) für zukünftige SVP Wähler/innen
oder ein paar Gedanken zur Clubszene Schweiz.

Würde es sie nicht geben, müsste man sie erfinden… und doch scheint es manchmal so, als wären sie gar nicht wirklich nötig, im Zeitalter des Mainstreams, der „Heinecken® Honky Tonk Beizen – Tour“ und von „DRS 3 Ultrasoft“ – Die Rede soll da sein von den örtlich verwurzelten, zum Teil über 15 Jahre existierenden, Schweizer Musikclubs, die es, zum Glück, in vielen Käffern dieses Landes, noch gibt. Als der ehemalige Musiksender DRS 3 noch jeden Samstag die Konzerthinweise richtiggehend zelebrierte, war da ein Bewusstsein vorhanden und Leute aus Käffern wie Thun, Wil, Düdingen, Sommeri und Wädenswil merkten, dass sie auch dazugehörten zu der Glitter und Glimmerwelt des nationalen Show Business. Dazu kam noch, dass die Moderatorinnen und Moderatoren, die kleinen Helden des Äthers, auch wussten, was diese Clubs machen, wo sie sind und wie sie aussehen, weil viele von ihnen auch selber Musik machten und selber auch gerne einen über den Durst tranken, nach den Konzerten in diesen Clubs. Nun, mit dem <Safer-Sex> wurde auch vieles anders. Sehr viel cleaner… Die wilden Jahre waren spätestens Mitte der 90er endgültig vorbei. Keinen <Jack Daniels®> mehr zum Soundcheck und keine Veranstalter, die vor lauter Betrunkenheit den Bandnamen nicht mehr richtig hinkriegten bei der Ansage und letztendlich gar keine Ansage mehr. The Spirit of Underground war gone…! Geblieben sind die Clubs und ihre wichtige Funktion im sozialen Netzwerk unserer Gesellschaft.

Noch heute spielen jedes Wochenende zig Bands aus nah und fern auf den Bühnen von Clubs wie
Ebullition, Fri-Son, Casa Choc, Kammgarn, Kraftwerk Krummenau, Löwen Sommeri, Anker Interlaken, Kiff, Mokka Thun um hier ein paar Namen aus der tiefen Provinz zu nennen. Die Shows geben viel Arbeit, sind finanziell gesehen, risikoreich und sind das, was man von den Clubs gegen aussen wahrnimmt. Im gesamten Arbeitsbereich der Läden, sind aber Konzerte nur ein kleiner Teil. Viel wichtiger ist der Club durch seine Konstanz und durch die Funktion des offenen Hauses und als Partnervermittlungs-Institut, auch noch und immer mehr in der Zeit von <Orange – we connect people…!> die Clubs werden zwar immer mehr in die Ecke des Lückefüllers gedrängt, sind in der Gunst der <Party People> und der >Beauties> nicht wirklich angesagt… Aber wenn der sichere Wert, das reale und <ein Gefühl von Heimat> sein muss, dann führt kein Weg neben den Clubs vorbei. Klar ist nicht jeder Club wirklich gut und viele haben auch nicht ein wirklich gutes Programm zu bieten, aber in all diesen Läden wird Tag für Tag oder Wochenende für Wochenende hart gearbeitet und das unmögliche immer wieder möglich gemacht: Ein Stück Menschlichkeit in unseren zunehmend einsamen Alltag zu zaubern.

Für Musiker/Innen sind die Strukturen der <Clubs> lebensnotwendig. Ohne sie könnten sie nicht einmal mehr die kleinen Gagen einspielen, die in den letzten 15 Jahren, tendenziell, immer kleiner geworden sind… (sic, sic, sic) und klar ist auch, dass nicht ohne Ende, jungen Leuten der Floh ins Ohr gesetzt werden kann vom: Musiker werden ist geil, sie durch zig dröge Musikstunden schleiffen und dann am Schluss als pädophile Klavierlehrer wieder auf die neue Generation loslassen kann, nein ausgebildete Musiker müssen Bühnen haben um darauf ihre Kunst vertiefen zu können. Nach einer Zeit der <Party>, wo auch Liveclubs immer mehr <nur> DJ’s ins Programm setzten, kommt zum Glück langsam wieder das Bewusstsein auf, dass mit einem guten Musikprogramm, und nur damit, ein vielschichtigeres Publikum ins Haus geholt werden kann und das ist das wichtigste für das Leben und überleben eines Clubs. Der momentane <Hype> von Ska und Punk verleitet zwar einige Programmierer zu sehr einseitiger Programmation, aber damit werden diese Jungs, die sich ja heute schon Intendanten nennen, nicht lange fahren, denn die Bedröhnten Schweizer Kids werden vielleicht schon morgen genug vom Kiffen haben und dann werden sie plötzlich <Grufties> sein!

Mit den Stichwort <Kids> können wir in die entscheidende Runde. Kidis sind die Hauptgeldbringer und sichern das Überleben der ganzen Clubszene. Das war schon immer so und das wird wohl immer so bleiben. Deshalb ist auch Sozialarbeit die ganz klar wichtigste Arbeit des Clubs, für Kidis Cola ausschenken und ihnen Anstand und <Respect> beibringen, <das> lehren, war Elternhaus und Schule versäumt haben oder nicht vermitteln konnten und ihnen möglichst viel Freiraum geben… In der Hoffnung, dass man den einen oder anderen eine andere Lebens- und Denkensart oder Teile davon mit auf ihren Weg als zukünftige SVP Wähler/innen geben kann, denn: bieder werden sowieso 95% aller dieser Kids, da muss man sich nichts vormachen und daran haben auch <20 Jahre Independant Clubszene – CH> nichts ändern können.
Aber um so mehr: liebe Leserinnen und Leser, besucht die lokalen Clubs solange es sie noch gibt, oder <Think Global – Drink Local!>

MC Anliker, Nov. 02.
Zur Person: MC Anliker betreibt seit 16 Jahren das legendäre Mokka in Thun und weiss, von was er spricht. Er ist kein wirklicher Musikfreak obwohl er sehr viel davon versteht, mehr interessiert ihn das betreiben eines Clubs als Gesamtkunstwerk.

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