Januar 2001

LUSTLOSE SCHREIBEREIEN, DAFÜR KEINE REIBEREIEN, ENDE JAHR IST KLAR: DIE TRÄUME WERDEN EH NICHT WAHR! IM NEUEN JAHR IST ES AUCH NICHT SO GANZ KLAR.

EIN DIFFUSER TEXT ZUM JAHRESENDE.

Anfangs Jahr sollte der Texter voller Energie sein, er sollte die Muse küssen, das Blatt beschwingt zerschreiben, alle Gedanken zwischen den Fingern zerreiben und alles schön zeichnen. Schön, schön, beautiful, fucking beautiful!

Alles Fucking Beautiful… so soll es sein! Nachdem alle Trendmagazine von Soda (Bern) bis Trönd (Reykjavik) dem neuerwachten Macho-Trend ihre Seiten gewidmet haben, ist es also ganz klar: Mann darf wieder Macho sein (als ob er schon mal wirklich Softie gewesen wäre…). Bald wird er auch wieder die weissen Pornosöckli tragen dürfen, ohne dafür Schelte zu kriegen, vielleicht muss er in Zukunft auch nicht mehr duschen, weil ja der Körpergeruch auch etwas sehr männlich wirkendes ist. Dazu wird kommen, dass die Frauen sicher vermehrt wieder mit Wespentaille daherstolpern müssen, auf High Heels, die schon 20 cm hoch sein sollten. Wie sie dann mit diesen Schuhen die Einkäufe nach Hause schleppen soll, muss dann schon ihr Problem bleiben, klar ist nur: Dass der Macker mit den weissen Söckli derweilen am Apéro ist oder vor dem Fernseher rumfläzt und wartet, bis die Frau das italienische Viergangmenu auf dem Tisch hat. (Den Wein hat er generöserweise schon fast halb geleert…) Ja, so wird das in der nächsten Zeit mit den Mackern gehen. Neue Perspektiven braucht die Gesellschaft!

Etwas Gutes kann sogar ich dieser Entwicklung abgewinnen. Ich kann auf Seite 6 dieses Programmheftes ein – zwar gezeichnetes – Pin Up der amerikanischsten Art abdrucken, ohne dass mir die Frauen für den Frieden die Wohnung anzünden kommen (Eichmattweg 8 / 2. Stock). Nicht, dass ich Fan bin von solchen Pin Up’s oder dass ich es plötzlich sehr wichtig fände, in unserem Programmheft mit sexualisierter Grafik zu werben, nein, ganz einfach: Das Strukturproblem in der Musikbranche treibt mich dazu. Da macht der liebe Sebastian Hausmann von den Lovebugs eine Art Punk-Rock Revue, die Agentur bucht Shows, es wird eine Platte aufgenommen (Oli Bösch am Mischpult), die am 4. Januar veröffentlicht werden sollte. Aber bis am 20. Dezember sind keine Fotos erhältlich und so musste ich mir mit dem Pin Up behelfen. Zähneknirschend und etwas ungern, weil ich das Teil sonst nicht einsetzen würde.

Ihr als Musikkonsumenten macht Euch keine Vorstellung davon, wie mühsam es zwischendurch ist, nur schon all die Materialien, die es für die Realisation eines Programmheftes braucht, zusammen zu kriegen. Fucking business! Gut, am Konzertabend ist dies dann meistens schon schwer Geschichte und die Tagesform entscheidet, ob ein Act gut ist, oder ob er durchfällt. Bei Baschi Hausmann und Fucking Beautiful braucht man sicher keine Angst zu haben, dass es einen faden Abend geben könnte, Baschi ist ein alter Rock’n’Roller mit Herz und Bauch und sein Pin Up Girl ist, trotz zwei richtigen Girls auf der Bühne, doch eher mit einem zwinkernden Auge zu sehen.

Das zwinkernde Auge darf ja sowieso nie verloren gehen, zu öde wäre das Leben ohne Witz und Schalk. Die Vermittlung von Lebensfreude, Witz und Hoffnung wird sicher auch im Jahr 2001 ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit sein. Jetzt, während ich diese Zeilen schreibe, kann ich mir noch nicht so richtig vorstellen, wie genau dieses 2001 werden könnte. Zu abgekämpft und müde ist der Körper und der Geist, ausgebrannt der Atomreaktor und leer die Batterien. Aber, keine Regenerationszeit in Sicht. Altjahrswoche, Silvester und gleich am 4. Januar 2001 die erste Show mit den Tarantinos aus London. The Show must go on, every day, every week, year after year ohne Rücksicht auf Gesundheit und Befindlichkeit.

Nur schon der Gedanke an das immer funktionieren Müssen macht mich krank, es ist ja auch nicht wirklich gesund, wenn wir keine Zeit mehr haben für das Zurückschauen oder das in die Zukunft Schauen, wenn alles einfach so ist wie es ist. CAFÉ/BAR MOKKA… fünf Tage Programm pro Woche, gepflegte Räume, guter Sound, freundliches Personal, hype Künstler und alles 30% günstiger als in Zürich oder Basel, an das hat man sich hier gewöhnt, das ist selbstverständlich und das sind die Erwartungen an uns. Erwartungen sind ja nur Erwartungen wird jetzt der beschwingte Leser meinen.

Ich bin natürlich schon auch der Meinung, dass wir mit den öffentlichen Geldern möglichst viel an Wirkung erzielen sollen. Das heisst: lange Öffnungszeiten, gepflegtes Personal, günstige Preise, gutes und kontinuierliches Programm und die Institution CAFÉ/BAR MOKKA als Insel gesehen, für Besucher wie Künstler (oder als Atlantikkreuzfahrtschiff, das seit 15 Jahren Le Havre–New York–Le Havre fährt ).

Wie auch immer und was auch immer, schlimmer wird es nimmer!

Auf ein 2001 voller Liebe, Vernunft und Leidenschaft mit Kultur vor, neben, auf und hinter der Bühne.

Mit aufgestrecktem Pentel Sign Pen (schwarz) in der Hand, ruft Euch Euer MC zu…

Wir sehen uns, setzt Euch noch nicht zur Ruh, kauft einen neuen, schnellen Schuh und kommt ins Mokka, da gibt es kühles Coca ! (flüssig) (frei nach Sarbach)

MUSIK IST SCHEISSE / CULTURE SUCKS!

Herzlichst, Euer

MC ANLIKER

MASTER OF WAITING ABOUT THE NEW YEAR VIBES

MASTER OF EMPTY PENTEL® SIGN PEN

MASTER OF START THE DAY IN THE ITALIAN STYLE

MASTER OF A LONG LIFE (HOPEFUL)

 

CAFE BAR MOKKA

Allmendstrasse 14 | 3600 Thun
033 222 73 91
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