März 2001

KOLUMNEN SCHREIBEN SICH NICHT VON SELBST, GASTRONOMIE IN DER SACKGASSE UND WIE ES MIT CAFÉ/BAR MOKKA WEITERGEHEN MUSS. EIN PAAR GEDANKEN, GESCHRIEBEN VON HERZEN.

Kolumnen schreiben ist ja durchaus etwas Schönes. Nur, seit mein verehrter Spezi und langjähriger Geschäftspartner Andreas Flückiger alias Endo Anaconda jeden zweiten Montag in der Berner Zeitung seine Kolumne stehen hat, ist es für alle an den Laptops und den Pentel Sign® Pens schwieriger geworden. Auch Eine stehen zu haben… So scharfzüngig und zugleich archaisch zu schreiben ist wirkliche Kunst, es haut dich als Leser fast aus den Schuhen – und dies schon am Montagmorgen. Vielleicht sollte man die BZ dazu überreden, die Flückiger-Kolumne erst am Donnerstag zu bringen, aus Rücksicht auf Freischreibende! Eins ist aber klar, die Latte hängt jetzt auch im Kanton Bern höher! Dies kommt mir nicht wirklich gelegen, hätte ich doch die Tage eher easy und relaxt angehen wollen, so quasi aus dem Lehnstuhl heraus noch ein Textli brünzlä, chli chille, mitämä Tütli zwüsche dä Finger u äm Finger uf der Fernbedienig. Als allein wohnender Zeitgenosse könnte ich das ja ruhig tun, wenn ich die Zeit dazu hätte!

Zu Endo und seinem abgespacten Schreiben ist natürlich noch Folgendes zu sagen: Endo lebt als Familienmensch und Vater eines Kleinkindes definitiv nicht alleine und als Kettenraucher, der auf dem Balkon raucht, verbringt er ja sehr viel Zeit auf dem Balkon, wo er sicher auch viel denken kann und – im Winter als einziger weit und breit mit Balkonkettenrauchen als Hobby – auch seine Ruhe findet. Nur, bei einem Wintereinbruch und Temperatursturz wie wir ihn dieses Wochenende erleben (es ist Samstag, 24. Februar 01) kann der Flückiger froh sein, dass er noch seinen Beruf als Musiker hat und somit wenigstens Freitag- und Samstagabend in einer geheizten Künstlergarderobe rauchen darf. Heilig, oh heilig sei der Rock’n’Roll!

Ein weiterer begnadeter Schreiber steht mir auch noch auf dem Filzstift. Heute Abend steht noch mein hochverehrter, lieber Timmermahn mit seinen Los Hobos auf dem Programm. Ä Abe, woni mi scho lang druf freue und damit stehe ich zum Glück nicht alleine da! Livemusik kann doch noch Leute hinter dem Ofen hervorlocken! Nun, so ist also hier natürlicher Schreibstau, quasi Schreibstop, angesagt und es geht dann einfach morgen Sonntag weiter mit der Geschichte.

Meine hochverehrten Leserinnen und Leser, ich wünsche Euch einen schönen Samstagabend und… zieht Euch warm an, zieht Euch warm an, denn die Kälte greift den Darm an!

Liebe Gemeinde, es freut mich ausserordentlich, so viele von Euch zum heutigen Gottesdienst begrüssen zu dürfen… Was Ihr nicht wissen könnt: MC Anliker wohnt neben einer Freikirche und so kann ich jeweils sonntagmorgens via Richtstrahl-Mikro aus Stasi-Beständen gemütlich im Halbschlaf am religiösen Leben der XX Gemeinde teilhaben, was mir das Gefühl von Gemeinschaft vermittelt und mir auch noch eine weitere Art von Eventkultur näherbringt. Im Bett liegen, dösen, dann duschen, Café kochen, den Schatz auf den Bauch küssen, den Tisch decken, lauter leckere Sachen darauf stellen und vom Tisch aus noch den Sekten- (sorry, Freikirchen-) Kiddys beim Rauchen hinter der Kirche zusehen. Jawohl, so muss Sonntagmorgen sein. Bezahlte Miete, rauchen im Bett (ja Endo, da wirst Du neidisch! Gäu!) Warmes Wasser und schöne Musik.

Also, gestern Abend war ja diese, mit viel Vorschusslorbeeren bedachte Musiklesung mit Timmermahn und den Los Hobos. Die Vorschusslorbeeren haben sich gelohnt, Timmermahn war eine Bombe, he is a bomb, ä geile Siech… Das war Kultur, wie sie besser nicht sein kann oder wie sie sein sollte… weit ab vom Mainstream aber so nah am Leben. Ein Abend, wo man auch als langjähriger Veranstalter für so Vieles entschädigt wird, ein Abend, der so viel Kraft vermittelt und der dich dann wieder daran glauben lässt, dass deine Art von Arbeit noch eine Zukunft hat.

Vergangenheit haben wir ja zur Genüge. Das konnte ich während dem Konzert von Timmermahn schmerzlich spüren. Unser Mischpult (das Teil, wo alle Töne, die auf der Bühne erzeugt und mit Mikrophon kanalisiert werden, durchgehen… durch dieses enge Kabel muss ich singen? Öh, öhhh!) hat gestern den Geist fast von Minute zu Minute mehr aufgegeben. Peinlich, wenn die wunderschöne Stimme der Portugiesin Gloria Miranda plötzlich kratzt und flattert, wie ein gefangener Spatz. Nun, das Problem kannte ich und noch am Freitag habe ich mit Mr. Baff aus Spiez ein neues Mischpult ausgesucht, nur hat das eine Lieferfrist von 14 Tagen und wir haben gehofft, dass der alte Göppel noch so lange hält, aber manchmal kommt es anders. Die Investition kostet uns rund Fr. 13’000.–, ein Betrag, der nicht mehr an einem Wochenende eingespielt werden kann; zu schlecht läuft im Moment das Gastrogeschäft. Kein Wunder, bei dieser Gastrobetriebsdichte, die wir mittlerweile in Thun haben – etwas, was ja an und für sich begrüssenswert sein könnte, oder für einen Eventgastropionier, wie MC Anliker, begrüssenswert sein muss.

Dass unsere Gesellschaft sich wie Wellen im 25 Meter-Schwimmbecken des Thuner Strandbades bewegt, wissen wir ja alle. Waren wir vor sieben Jahren mit unserem Bar-Dancefloor-Konzept <on the top> und den anderen zwei bis drei Jahre voraus, so waren wir das mit der Livemusik schon vor 10 Jahren. Heute ist die Sache so: Club DJ-ing ist etwas ziemlich Ausgelutschtes, zu viele DJ’s an zu vielen Orten, von Skiliften über Einkaufszentren, von Fasnachtspartys bis Ökomodeshow, von Vinothek bis Hinterzimmerbar, alle fahren DJ’s und wollen so via Kulturprogramme in die Medien. Zu viel Schrott in den Medien macht das Ganze unattraktiv, unübersichtlich und letztendlich auch nicht mehr verkäuflich.

Für viele Leute braucht es heute keinen Club mehr mit einer Geschichte, es kann durchaus auch ein Laden eines Gastromultis sein, oder eben so ein Pseudo-Yuppieladen. Die Hauptsache ist, der Preis für die Getränke ist hoch genug, die Sandwiches sind klein genug und der Handyempfang ist O.K.! Als Gastrobetrieb können wir CAFÉ/BAR MOKKA schlecht verkaufen, zu unattraktive Lage, keine Tages- und somit keine Apérozeit, zu billig, am Wochenende Eintritt und dann dieses megabekiffte Publikum mit den dazugehörenden, stehenden Kiffwolken. Das sind alles Facts, die uns als Gastrobetrieb zu schaffen machen. Ich denke, wir müssen vermehrt wieder auf die Bühne setzen, gute Programme in guter Qualität und nicht allzu billig! So sehe ich das!

Diese Devise habe ich schon im März 2001 befolgt, das vorliegende Programm kann sich auch international sehen lassen. Schulterklopf! Also, nun seit Ihr gefragt, als Konsumenten und Kultursupporter.

Und noch in eigener Sache: Am Mittwoch, 7. März um 22.20 Uhr kommt auf SF1 ein Portrait von MC Anliker mit viel Bildern aus den Mokkaräumen, die dem Publikum nicht zugänglich sind. Quasi ein Blick hinter die Kulissen, via Fernsehen. Check it out!

Auch im März schauen wir vorwärts!

Liebe Leute bleibt sauber!

Herzlich, Euer

MC ANLIKER

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