Mai 2016

FRÜHLING KOMM RAUS, DU BIST UMZINGELT! UND ANDERES, GESCHRIEBEN AM TAGE VON CHRISTI HIMMELFAHRT.

Die letzte Nacht war noch sehr frisch, temperaturmässig, weil wolkenlos. Dank meinen Schlafstörungen und weil ich so nette Nachbarn (über mir) habe, die um 5 Uhr morgens direkt über meinem Bett, getrennt durch 2,2 Meter Luft und circa 8 cm Holz, Grundsatzdebatten über Beziehungen führen, kam ich in den Genuss des ersten Lichtes eines wunderschönen Auffahrtstages. Ich sass also auf meinem Balkon, hörte die ersten Balzrufe der Vögel, die ich leider nicht wirklich kenne, die aber in unseren grossen Bäumen – zumindest temporär – zuhause sind. Huereschön! Rein geobiografisch bin ich ja die völlige Null-Nummer. Ich habe nie in London, New York, Tokyo oder Bern gelebt. Nein, immer nur in diesem kleinen Kaff am Rande der grossen Alpen, kenne also die weite Welt nur von einigen, wenigen Reisen, aus Büchern, Zeitungen, aber auch durch den Besuch von Musikern aus der ganzen Welt, die Dank unseres Musikclubs seit nun bald 30 Jahren in Thun Boxenstopp machen. Wenn ich aber um 05.20 Uhr das langsame Beleuchten dieser majestätischen Bergkulisse, die da immer und zum Glück vor uns steht, beobachte, wird mir wirklich ganz anders. Ich komme mir dann vor wie ein Tourist, oder wie ich selber als Tourist auf Island, das ich vor Jahren einmal im Winter besuchte. Richtig grosse Momente eben, Wahnsinn! Als die Zigarette abgebrannt war, schlüpfte ich dann wieder in das schöne, warme Bett und konnte weiterhin, hinter den schützenden Fensterscheiben, dem erwachenden Tag zuschauen. Feed your Eyes! Dieses Lichtspektakel würde jetzt definitiv keine Beleuchtungsfirma der Welt so hinkriegen und Frutiger hätte diese Alpen – selbst im Konsortium mit Implenia und Mars Bau – nicht so schön hingekriegt, das ist Fact!

Nun ist er also in seiner ganzen Pracht da, der wunderschönste Frühlingstag des Jahres, das ja bis jetzt noch nicht so freundlich zu uns war. „Frühling komm raus, du bist umzingelt!“, hätte man Lust, in diesen Tag zu rufen. Die Lesung mit dem Berner Dialekt-Schriftsteller Beat Sterchi, die heute auf unserem Programm steht, ist erst abends und so habe ich noch genügend Zeit zum Schreiben. Sterchi, als Sohn eines Berner Metzgers, ist ja zum Glück nicht Vegetarier und so werde ich ihm neben einem Chefsalat mit ganz vielen frischen Kräutern, einer Spargelplatte mit Sbrinz-Joghurt-Mayonnaise, ein wunderbares Siedfleisch mit Pfälzer und roten Rüben, Kohl, Wirsing, Zwiebeln, Lauch, Sellerie und Kartoffeln servieren können. Schon zum Kochen eine Wohltat und zum Essen sowieso. Die Vegan-Welle, die sich diesen Winter bei den internationalen Bands abgezeichnet hat, ist schon wieder etwas abgeflacht und jene Berliner Band, die Gruppen-Yoga im Tagesprogramm hatte, war zum Glück auch nur die eine Ausnahme. Ihr müsst jetzt nicht meinen, dass ich etwas gegen Veganer oder Vegetarier habe, nein, sicher nicht. In erster Linie koche ich gerne und noch lieber kaufe ich ein, weil das die Basis eines guten Essens ist. So viele Male schon ging ich mit einem Menüplan im Kopf einkaufen und alles kam anders – und das ist gut so. Flexibilität ist in meinem Beruf als Veranstalter und Koch sowieso oberstes Gebot und ich denke, dass dies generell für die Zukunft der Arbeitswelt gilt. Nichts ist mehr so sicher wie noch vor zehn Jahren und in Zukunft wird die Sicherheit noch kleiner werden.

Die Zukunft unserer (Wirtschafts-)Welt beschäftigt mich in den letzten Monaten sehr stark und auch beim Vertiefen in die „Initiative für ein Bedingungsloses Grundeinkommen“, über die wir ja schon in 30 Tagen abstimmen dürfen, stosse ich immer wieder auf das Thema „Arbeitswelt der Zukunft“ und die sieht nicht rosig aus. Wir sind soweit, dass namhafte republikanische Ökonomen, die alles andere als Sozialisten sind, ein Grundeinkommen als einzige Chance sehen, den Kapitalismus zu erhalten und die westliche Welt vor dem Abgleiten ins Chaos zu schützen. Ich als Workaholic arbeite seit 1973 – also seit über 40 Jahren und insbesondere in den letzten 25 Jahren mit dem Club – eigentlich täglich meistens 12, aber auch 18 Stunden am Tag, wenn es sein muss. Anfänglich war ich kein Fan des Grundeinkommens und schlug auch die Bitte des Komitees, an Podiums-Gesprächen teilzunehmen, aus. Mittlerweile hat sich aber die Welt radikal geändert, in einem Tempo, dass es einem schlecht werden kann. Die Welle von Flüchtlingen, die wir seit letztem Sommer auch in der Schweiz spüren oder zumindest thematisieren, ist sicher erst der Anfang einer globalen Völkerwanderung, denn schon spricht man von 600 bis 800 Millionen Klima-Flüchtlingen, die in den nächsten 20 Jahren gezwungen werden, ihre Lebens(t)räume zu verlassen. In Amerika wird im Herbst vielleicht ein menschenverachtender Präsident gewählt und in der Schweiz sind Blocher, Köppel, Amstutz und ihre Mitstreiter mächtig am Gas geben. Da kann es einem schon etwas anders werden, das sind ja nicht gerade gute Aussichten. Ich bin am Ende dieses Textes,

das libanesische Fladenbrot im Ofen wird in zehn Minuten gebacken sein, der Tag ist schön wie ein Frühlingsmärchen und ich werde jetzt auch noch eine Fahrt mit meinem Velo machen. Und:  Frühling, komm raus…    

 

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