DROGEN SOLLEN DAS BEWUSSTSEIN ERWEITERN UND NICHT ZERSTÖREN
Dieser Satz hängt seit über 15 Jahren an meiner Bürowand und heute, Sonntag 22. April 2012, stach er mir auf meiner Suche nach einem Monatsspruch für das Maiprogramm unseres bescheidenen Etablissementes ins Auge… der Spruch ist alt, aber immer noch sehr aktuell. Vieles in einer langjährigen Tätigkeit ist Routine, es sind Abläufe, die ähnlich bleiben oder schon lange gleich sind.. Nicht, dass man Gefahr läuft, zu routiniert zu werden.. nein, unser Geschäft ist immer dann am gefährlichsten, wenn man meint, dass heute alles easy sein wird… Vieles hat sich in den letzten Jahren ganz stark verändert, und am Meisten der Mensch.. er ist heute schwieriger denn je, er ist nicht mehr im Hier und Jetzt, er ist dauernd auf dem Sprung, dauernd am Auschecken, ob es noch irgendwo etwas mit einem grösseren Kick gibt.. und damit ist er auch nicht mehr dabei… Zumindest das Wetter ist noch ähnlich wie auch schon und man sagt trotz den modernen Medien immer noch: Füre Zischtig hett är schlächt gmäudet… Är!!!! Beim Durchwühlen meiner immensen Datenbank stiess ich auf einen Text, den ich im April 2005 geschrieben habe und ich nehme hier den ersten Teil dieser Schreibe und Copy-Paste… so steht er nun da:
DER FRÜHLING IST AM KÄMPFEN… KINDERKRIEGEN ALS SZENEN HYPE… ALTERNATIVKULTUR ALS AUSLAUFMODELL UND NATURAL BORN TUSSY ALS NEUE FRAUENBEWEGUNG… EIN PAAR GEDANKEN ZUM MAI 2005
Während ich diese Zeilen schreibe, übrigens wieder mal mit meinem geliebten <Pentel Sign® Pen> made in Japan… quasi der einzige Japaner mit dem ich klar komme… direkt auf hochweisses Papier, ist draussen richtiges April-Wetter, das dem Schweizer Detailhandel, mit Ausnahme der Drogenverkäufer im Bereich Nikotin, Alkohol und Kifferzubehörde, schwer zusetzt. Es ist kalt, und wie es sein muss sehr launig, windig, regnerisch und deprimierend, auf die Dauer….! Nichts mit Grilladen-Aktionen, Holzkohle und Aktions-Liegestühle Marke: Ou, ou, ou mis Oug! Für 17.50 CHF… Ich bin ja nicht blöd!! Nein, es wird dieses Jahr wohl ewig kalt bleiben… uns haben die tiefen Temperaturen auch nicht wirklich ewas gebracht, der April war nicht der wirtschaftliche Traummonat, trotz einem internationalen Programm… Aber wir sind gut über die Runden gekommen, wenn man bedenkt, wie gross das Geschäftsrisiko ist bei 18 Shows, und den daraus entstehenden Kosten. Live-Musik ist nicht so hype wie z.B. Kinderkriegen, etwas was nun selbst in <Facts> als Szenen-Hype gehandelt wird… Seit Mann/Frau nicht mehr erwachsen werden muss zum Kinderkriegen, seit die Grosseltern als Fixpunkt im Businessplan <Familie> wirken und die Freundinnen immer am Handy beim Spaziergang dabei sein können, die Kinderwagen halbe Mountainbikes geworden sind, das Tiefkühlangebot so breit ist, dass Mann/Frau gar nicht mehr kochen können muss, und der Familien-Van auch voll geleast werden kann, ist Kinderkriegen schwer angesagt. Sogar die Leser des Thuner Tagblatts haben den Zeitgeist gerochen und die Mutter der „Thuner Drillinge“ zum „TT-Kopf des Jahres“ gewählt. Schön! Es fragt sich nur ob Jimmy Gygax, als Chefredaktor, die herzigen Bälger zwischendurch ein Wochenende zu sich nimmt, mit der ganzen Konsequenz??!! Ich meine, klein sind sie schon sehr niedlich und auch so offen, spontan und ehrlich… Aber wenn sie dann so 16-, 17-, 18-jährig sind… dann… ja, dann sind sie manchmal schon sehr nervig. Wir alten Säcke, und das sind wir heute schon ab 25-jährig, haben manchmal kaum mehr das nötige Verständnis und fühlen uns saumässig alt. Wir wissen nicht wirklich so genau, ob wir damals auch so drauf waren, vielleicht, aber meistens haben wir das Gefühl: So waren wir nicht…! Das Einzige, das wir dann meistens noch genau wissen, ist: Ich bin froh, das ich nicht mehr 18 bin!!!
Nun, liebe Leserinnen und Leser, ihr merkt, einiges ist anders geworden seit Mai 2005 und anderes ist ähnlich geblieben. Das erwähnte Wochen-Magazin <Facts> gibt es schon lange nicht mehr.. wir hatten im April 2012 gerade einmal 10 Shows und eine Killer-Party, MC ANLIKER schreibt schon seit Jahren seine Texte auf dem Computer und Jimmy Gygax ging 2011 in Rente, unser Club ist seit fast 2 Jahren Mittwochs geschlossen, die Umsätze sind noch ca. 50% derjenigen vom 2005. Gleich geblieben ist: das Wetter im April 2012 (es war unter jeder Sau), Kinderkriegen als Superhype mit dem finanziellen Background und den emotionalen Bindungen der Grosseltern, die Aktions-Liegestühle, die aber eher noch billiger geworden sind und dafür das Auge eher noch etwas mehr schmerzen lassen, Kids, die nerven, alte Säcke, die wohl schon zu alt für das Geschäft sind und definitiv froh sind, dass sie nicht mehr 18 Jährig sind…. Gibs zue MC..!!!! Die Musikbranche ist noch etwas mehr am Arsch als damals, Bands bieten sich heute z.T. für 300.- € pro Show an, inkl. An- und Abreise von mehreren 100 Kilometern.. oder spielen Doordeals, wo sie 60% des eingespielten Geldes erhalten, dies bei Publikumszahlen von 12-40 Personen à 16.- Fr…
Sie hoffen auf den Verkauf von Merchandise (CD`s, T-Shirts, Tanga-Slips und anderem Nepp), was aber bei den mageren Besucherzahlen auch nicht mehr wirklich funktioniert. Dank den sogenannten >Sozialen Netzwerken<, die besser asoziale Ablenkungswerke heissen würden, müssen die Bands heute täglich den Nerds in den ungelüfteten Kinderzimmern Daten und Zeichen in Form von Videölis, Songs, Bildlis und Storys von der <Live as a Bitch Tour 2012< (mit 2 Shows, eine im Mai in Hombrechtikon, die zweite im Dezember in Hombrechtikon….) liefern, um nur schon irgendwie wahrgenommen zu werden. Ich als Profi-Surfer liebe die Website:http://buetikofer-band.ch/, das ist so eine Art Hobby von mir.. Montags im Büro, wenn keine Telefone anklopfen, etwas von der realen Welt des Rock`n`Rolls reinziehen… vor allem die Gallery liebe ich… so sieht er aus, der Traum der <WILD ONES>.
Was auch vom 2005 geblieben ist, ist der Alkoholkonsum der Musiker… Bei vielen Bands fragt man sich schon sehr, warum die eigentlich auf Tour sind.. wegen des Musikmachens oder wegen des Saufens… Am Freitag, 20. April 2012, spielte eine englische mittelalt-Herren-Punkband auf unserer Bühne. Die erste Ansage war, dass sie 40 Minuten spielen, dann kam die Frage nach WLAN und nach einem kurzen Soundcheck wurde dann der Backstage-Kühlschrank entjumpfert, der ganze Biervorrat, immerhin 24 kleine Boxer, in Angriff genommen, und am Ende der Show, die dann knapp 55 Minuten dauerte, wollten sie noch einen Kasten Bier.. dann standen sie stundenlang im Konzertraum und jeder hatte immer 2 Bier bei sich.. als Krönung ihres Künstler-Lebens schlichen sie dann um 03.30 Uhr noch in die geputzte Backstage, um noch den Rotwein mit Coca Cola verschnitten zu erledigen… Also, gratis 40 kleine Boxer und 1 Flasche Rotwein für 4 Männer, eine Gage von 500.-€, Hotel, eine Technikergage von 240.- Fr., dazu kommen Suisagebühren und Ausländer-Steuern.. Eingenommen haben wir 660.- Fr … da kann man das Rechnen vergessen, denn man sieht von Weitem, dass dies eine Minus-Geschichte ist. Und vor allem inhaltlich ist es eine Minusgeschichte, was soll das? So eine Scheisse, so drauf zu sein.. Aber der Mythos vom Rock`n`Roll ist mit dem Backstage-Kühlschrank und dessen Inhalt so fest verknüpft wie die Schweiz mit Willhelm Tell.. und wehe, du gibst einmal keinen 2. Kasten Bier mehr raus oder einer Chlyklass Combo die Flasche Whisky und die Flasche Rum nicht.. dann aber bist du die schtierste Sau, die Gott je erschaffen hat.. aber de scho..!!!
Apropos WILD ONES… wer erinnert sich noch an sie..?? Stammlokal: Restaurant Frohsinn, Hoss the Boss.. es ist auch schon über 20 Jahre her.. Aber an diesem Scheiss-Freitag, 20. April 2012, (siehe oben) standen sie bei uns auf der Matte, friedlich wie Lämmer und auch massiv älter, aber immer noch Rockabilly und wohl immer noch die Südstaaten-Flagge zu Hause über dem Bett aufgehängt.. Die Lederjacken sind aber noch immer mit WILD ONES angeschrieben. Manchmal frage ich mich schon, was eine Menschenseele alles ertragen muss und wäre ich gläubig würde ich sagen: Dr Herrgott wott mi eifach prüeffe…. weisch..!!!! Alles kann aber immer noch besser werden… und zuversichtlich bin ich immer, auch wenn ich meiner Arbeit nur noch hintennach renne.. dass ich damit nicht der Einzige bin, ist ein Zeichen unserer Zeit, die uns auffrisst, die uns nudelfertig macht, mit all den hohlen Tools, mit denen wir von frühmorgens bis spätabends zugemüllt werden.
HEINO, DIE STIMME DER HEIMAT.. zum Glück nicht im Aprilprogramm von CAFE BAR MOKKA . Dies ist noch ein weiteres Zeichen aus längst vergangenen Zeiten, das an meiner Bürowand hängt. Facebook wird keine solchen Spuren an den Wänden hinterlassen, dafür ist nur schon ihr Erscheinungsbild zu widerlich. Etwas, was auch noch anders ist als früher: Ich schreibe heute die Texte in 12-Punkt-Schrift und nicht mehr in 10.5… weil die Leser/innen auch älter geworden sind und immer mehr reklamiert haben, dass sie unsere Texte nicht mehr ohne Lupe lesen können… und zum Schluss noch etwas, was gleich geblieben ist, wie in den Anfängen vom MOKKA: wir machen immer noch ZÜRI WEST Shows..!!!! und das ist gut so!!!!!!
Ich freue mich auf einen dynamischen Mai 2012, hoffe auf volle Kassen und leere Tassen…
Warme Grüsse aus dem Berner Oberland schickt Euch Euer MC ANLIKER, Hüter des ewigen Feuers, Chronist und Schreibhilfe CAFE BAR MOKKA THUN