SELVE SUED NIGHT
SELVE FEST DAY TWO – DIE HELDEN DER SELVE IM MOKKA GARTEN!
DJ PROFONDO & DJ SMAT spielen in & outdoor im Mokka und lassen die Selve zeit nach 30 Jahren wieder kurz aufleben! 19:00 UHR bis 22:00 draussen im Garten, danach geht es weiter im Haus. Electronic Music ALL NIGHT LONG!
SELVE FEST
Was sich in den Hallen der ehemaligen Selve zwischen 1989 und 2007 abspielte, war dermassen unkontrolliert und frei, dass es sich dabei um viel mehr als eine von den Besitzern angedachte Zwischennutzung handelte: es war ein blühendes Leben und Ausleben einer Utopie, das Ausloten eines Zusammenseins unterschiedlichster Menschen mit den verschiedensten Projekten und Lebensentwürfen. Bands fanden billige Räume zum Proben und Abhängen, Autoflicker bastelten in riesigen Hallen an alten Karren herum, einer hatte eine umfangreiche Vogelvolière, die, wie noch so einige andere Räume, eines Nachts abbrannte, Künstler*innen konnten sich in ihren Ateliers, die im Winter mehr schlecht als recht mit Elektro-Öfelchen geheizt wurden, uneingeschränkt austoben. Und dann, ab 1991, fanden die Parties ihren Weg in die Hallen, die Tanzfreudigen und auch die Bierseligen strömten an den Wochenenden zu Tausenden aufs Areal. Jüre Schweizer hatte hinter der Halle 6 beim jetzt noch vorhandenen Kamin seine erste Bar und Disco aufgemacht, das «Opus», sehr illegal- aber es war ein Dammbruch, bald organisierten die Roy’s ein unbewilligtes Konzert in der Halle 6 selber, aber von Bewilligung sprach hier eigentlich bald niemand mehr wirklich, die Behörden kamen vorbei und liessen machen. Das Mokka, direkt hinter dem Areal gelegen, hatte wesentliche Vorarbeit geleistet: die Menschen waren unterwegs und wollten sich ausleben, kreativ sein, und feiern.
Der Freiraum konnte ab 1988 entstehen, nachdem Werner K. Rey die Liegenschaften an der Scheibenstrasse verkaufte und die Metallproduktion schrittweise nach Uetendorf verlegt wurde. Der grosse Knall kam 1991, als Rey’s Finanzimperium zusammenbrach, er auf die Bahamas flüchtete und die Metallwerke Selve geschlossen wurden. Für die alternative Szene von Thun und Umgebung tat sich Raum auf für ein Paradies, und nicht nur für sie: Kleingewerbler konnten in billigen Räumen ihren Geschäften nachgehen, in einer grossen Halle wurde eine riesige Rollschuhbahn eingerichtet, und die Event- und Gastro-Lokale schossen aus dem Boden. Die Bands, die irgendwo in einem Selve-Räumchen probten oder einfach feierten, sind ungezählt: Merfen Orange, La Grande Sensation Del Giggerigi, Hynx, Under Her Black Wings, Fuckadies, Roy & the devil’s motorcycle, Amarillo Brillo, Alboth!, So Nicht, und nicht zu vergessen natürlich die Selve Blasmusik mit Arbeitenden aus den Selve-Werken.
Jetzt also ein grosses Jubiläum, der Moment perfekt: vor 30 Jahren, Ende August 1994, haben die Brillos und ihr Umfeld mit vielen befreundeten Bands und unzähligen Freund*innen nahe der Bahngeleise ein OpenAir veranstaltet, das vor allem den Spirit feiern sollte, den sie in der Selve seit einigen Jahren erlebten- mit einem Querschnitt über die damalige Szene: SelveQuer hiess das Open-Air bei den Bahngeleisen daher, die Konzerte fanden auf einer legendären Holzbühne von Daniel Zimmermann statt, eine wahre Skulptur, Ali hat das Ganze überhaupt zum Tönen gebracht, und die Bilder, die Christian Helmle geschossen hat, sind Ikonen. Die Polizei fand sich zehn vor zehn ein und zog Punkt zehn Uhr den Hauptstecker, soviel Ordnung musste dann schon sein- es kümmerte sie dann aber auch nicht weiter, als die Brillos ihr Konzert nach kurzem Unterbruch fortsetzten.
Wenn mensch heute die Scheibenstrasse entlang spaziert, kann bei der altehrwürdigen Halle 6 noch etwas von der Selve-Luft atmen, eine Ahnung davon bekommen, wie hier einmal die Bässe gestampft haben, genagelt und geschraubt wurde- wenn mensch will, kann immer noch ein Prickeln von Abenteuer und Freiraum wahrgenommen werden. Wärmstens empfehlen wir den fantastischen Bildband «Selve» von Christian Helmle, mit Bildern aus den 1970ger Jahren bis in die heutige Zeit, und einem super spannenden Abriss über die mehr als hundertjährige Geschichte der Selve. Von Christian Helmle sind auch die hier abgebildeten Fotografien – ganz herzlichen Dank hierfür, Sand!
Das alles jetzt dreissig Jahre später im Mokka zu feiern, macht Sinn: eine so unkonventionelle Entwicklung in der Selve wäre ohne Bädu und seinem Club gar nicht erst denkbar gewesen: die Stadt hatte nach acht Jahren Mokka, und dem nachhaltigen Insistieren von Bädu für die Kultur im Allgemeinen, begriffen, dass es allen gut tut, wenn mensch sich leben lässt und dafür Raum einnehmen kann. Auch dafür soll dieses Jubiläumswochenende stehen: ein Feiern einer Entwicklung einer Vision, die, einmal in Fahrt gekommen, wunderbare Kurven genommen hat, weiter am Blühen ist und dahin gehen will, wo alles Liebe ist: und Frieden.