Dezember 2001

WIE DER MENSCH SEINE WAHRNEHMUNG VERKÜMMERN LÄSST, DUFTSÄCKLI ANSCHAUEN WIRD OLYMPIA-DISZIPLIN UND ERINNERUNGEN SIND NICHT IMMER EINFACH.

EIN PAAR TAUSEND ZEICHEN FÜR DEZEMBER 2001

wann kommt der wind der uns weitertreibt / irgendwohin wo keine erinnerung bleibt / an jene zeit die uns glücklich sah / nüchtern und klar zu jedem opfer bereit meine seele ist irgendwie hängen geblieben / mein körper ist alt und verwohnt / die sterne wärmen den himmel nicht mehr / und eiskalt ist der mond wann kommt der wind der uns weitertreibt / irgendwohin wo keine erinnerung bleibt

Dieser wunderschöne Text stammt aus dem Laptop – wie man heute sagen muss und nicht mehr aus der Feder von, wie zweitausend Jahre gesagt wurde – von Sven Regener und ist auf der neuen Element of Crime-Platte <Romantik> zu hören. (E.O.C. sind im Februar ’02 in Bern zu hören und auf www.element-of-crime.de gibt es noch Bildli und Informationen auszuchecken.) Regener ist ein grossartiger Poet, der es immer wieder schafft, mit seinen Texten Stimmungen zu malen, die Menschen wie mir aus dem Herzen sprechen. Auf den Text kam ich wegen dem Wort Erinnerung, das mir seit Tagen durch den Kopf schwirrt, weil, Ende Jahr ist, ich das letzte Programmheft im 2001 produziere und damit auch den letzten Text dieses Jahres schreiben darf oder muss… je nach Sichtweise. Eigentlich ist dieses Schreiben ja ein Dürfen. Doch wird es manchmal zum Müssen, weil bei der Druckerei die Seiten als Text angemeldet sind und dort im letzten Moment eintreffen, quasi in die Druckmaschine geschrieben werden. Die Tage wollte ich immer anfangen mit Schreiben aber… mein Kopf ist leer, wie vor mir dieses Blatt Papier. Tiger komm her und stärke meine Gedanken… stärk, stärk, stärk… Dies ist aus einem ziemlich alten Strip von Werner®, der ja später mit Beinhart noch zum Mantafahrer-Liebling geworden ist, aber eben viel später!

Also, der letzte Text im Jahr würde den Schreiber automatisch verpflichten, Revue passieren zu lassen, alles, was im letzten Jahr wichtig war noch einmal kurz aufleben zu lassen und wenn möglich noch Highlights zu nennen, etwas, was mir eh Mühe macht. Weil Highlights gibt es jeden Tag, man muss sie nur finden und die Superstars sind eh die Normalos. Der Schreibstau zur Vergangenheit ist im Moment ziemlich stark, es ist wohl besser, wenn ich mich etwas mit der Zukunft befasse. Liebe Leser/innen, wenn Ihr dann das Heftchen, das Ihr in Euren Händen haltet, weiter durchblättert, kommt Ihr zu einer sehr mysteriösen Seite (Nr. 22) wo wir zugegebenermassen völlig unprofessionell für zwei Silvesteranlässe werben. Des Rätsels Lösung: mit den The Tarantinos aus London wird der Silvesterevent in einem Zelt geplant. Einmal etwas Anderes, habe ich gedacht und mich zu diesem Risiko durchgerungen. Im Moment ist aber noch zuviel unklar in dieser Geschichte, womit wir auch nicht wirklich wissen, ob dieser Anlass wirklich stattfindet. Gibt es auch genügend Leute, die mit Pulp Fiction, Soul, R&B und Rock’n’Roll Silvester feiern wollen? Finden wir genügend Personal, die am Silvester arbeiten wollen? Ist das finanzielle Risiko nicht zu gross in einer Zeit, wo mit der Art von Kultur, wie wir sie mit CAFÉ/BAR MOKKA machen, kein Staat zu machen ist? Dazu kommt auch, dass man Ende Jahr eigentlich sowas von fix und fertig und mental ziemlich ausgebrannt ist, so dass man eigentlich zwei Wochen in einem stillen Bergtal ausruhen sollte und mit den Schneeschuhen ein wenig Füchse suchen gehen sollte.

Wie genau der Silvester im Mokka aussehen wird, werden wir auf alle Fälle noch mitteilen, eines ist aber ganz klar…

SILVESTER @ MOKKA

So oder so, weil ja das Haus am Silvester traditionell mit Leben gefüllt sein wird.

Anfang Jahr machen wir noch eine Show mit Züri West, die in Thun immer wieder viel Freude verbreiten. Wie die Geschichte aussehen wird, ist im Moment auch noch nicht ganz klar. Einzig das Datum ist klar: Freitag, 4. Januar 2002, mit der Option Donnerstag, 3. Januar, wenn wir die Show im Club machen. Im Januar werden wir endlich mal wieder unseren Keller renovieren, alles durchmalen, Böden flicken und etwas Discolicht reinhängen. Bauen tun wir mittlerweile auch an unserer Website WWW.MOKKA.CH. Die Baracken sind gestellt und als Architekten wurde die Firma <www.klink.ch> aus Bern gewählt. Es ist anzunehmen, dass ab Februar oder März 02 auf unserer Site gesurft werden kann. (Heute wurde schon mal eine provisorische Frontseite ins Netz gestellt.) Ob wir in Zukunft am Sonntag und am Mittwoch jeweils noch beide Stöcke geöffnet haben können, steht auch noch ziemlich in den Sternen. Zu schlecht gehen die Geschäfte an diesen Tagen. Rundherum wird zwar immer noch auf Superoptimismus gemacht, aber für mich ist klar: Wir sind schon mitten in der Gastro-Krise! Wenn ich an nächsten Sommer denke, wird mir ganz anders! Noch einen Sommer alle diese SMS-Junkies und THC Verbrenner und ich kann in Münsingen andocken! Vielleicht müsste ich wirklich so etwas wie Schafhirt werden, im Hüten habe ich ja Erfahrung. Soweit zur Zukunft!

Kurz zurückschauen… Oh Schreck, lass nach! 2001 war ein unfreundliches und unmenschliches Jahr, für mich! Auf unserer Bühne standen zwar wieder ganze 135 Bands und sechs Mal wurde Literatur zelebriert, dazu spielten wieder um die 700 DJ’s in da House. Ein Output wie wir nirgendwo in diesem Land (Die Tendenz der meisten Clubs und Kulturzentren geht ganz klar auf viel weniger, dafür sichere – soweit das möglich ist – Bookings und viel teurer als früher), dazu in einer Selbstverständlichkeit, die den Konsumenten dazu veranlasst, das schon gar nicht mehr wahrzunehmen.

Was uns das ganze Jahr extrem beschäftigt, sind all die kleinen Sachen, die das Mokka so wohnlich und menschlich machen. Jeden Abend müssen viele Details beachtet werden, viele Lichteinstellungen, die Stimmungen im Haus extrem beeinflussen. Wir haben keine einheitlichen Lichtquellen, die einfach auf ON gestellt werden können und dann ist O.K.

Auch unsere Situation um das Haus ist zeitaufwendig, haben wir doch über 30 Lichtquellen alleine ausser Haus im Einsatz, auch die Pflege von so heiklen Designteilen, wie unsere Gartensofas und Sideboards sind nicht ohne. Unser Leuchtmittellager umfasst ca. 25 verschiedene Modelle und darunter sind Spezialleuchten, die um die Fr. 250.– kosten und die manchmal schon nach einem Abend nicht mehr brennen.

Es ist uns schon klar, dass wir einen solch schönen Club wollen und dass wir letztendlich all die Sachen auch betreuen und unterhalten müssen. Nur, das frustrierende an der Sache ist natürlich ganz klar die steigende Oberflächlichkeit der Konsumenten, die ja nicht nur uns zu schaffen macht. In den letzten Jahren ging sehr viel Wissen zu alltäglichen Sachen rund um uns herum verloren. Kaum jemand interessiert noch den Weg, wie es zu etwas kommt, es interessiert nur noch das Endresultat und von dem bitte nur noch den Doppelrahm, denn der Rest kann nichts sein.

Erinnerung (1): Da gab es im Frühling 2000 so eine heisse Story. Wir hatten eine Show mit einem Electronic-Künstler aus New York, es war Sonntagabend, der Eintritt war mangels irgendeines Interessens gratis, im Raum waren ca. 8 <Ausland>, wie wir die nicht Schweizer-Kids nennen, die Duftsäckchen anschauten und beim Mischpult war ein Tischchen mit 4 jungen Woodstock-Hippies besetzt, Nationalität <Schweiz>, die auch Minigripsäckchen anschauten. Der Künstler versuchte auf Englisch mit den anwesenden Personen zu kommunizieren, in der Annahme, diese seien wegen ihm anwesend, schliesslich ist er ein Star. Alles Scheisse, der Abend floss zäh dahin, ich war als Tontechniker hinter dem Mischpult, da stand plötzlich so ein Hippie-Mädchen auf, stand vor das Mischpult und fragte mich mit einer supercoolen Quäkstimme: Hey, sorry, hey… chasch nid no eis vodä <Cure> druftue? Es kann sein, dass ich diese Geschichte schon einmal erzählt habe, aber die Story ist so bezeichnend für die Situation in diesem Land – so eine Duftsäcklein-anschau-Scheibe, dass Mann/Frau nicht einmal mehr merkt, dass da etwas auf der Bühne passiert, dass Musik gemacht werden kann und dass da Menschen involviert sind. Uns kostet so ein Abend um die Fr. 2’500.– und viel Arbeit. Es war ein sehr einschneidendes Erlebnis für MC Anliker, das wird er sicher einmal den Grosskindern erzählen und den Kumpels im Altersheim.

Das Jahr 2001 war, im Ganzen gesehen, kein wirklich freundliches. The New Millenium hatte keine wirklich positiven Kräfte freigesetzt. Soviel Elend auf diesem schönen Planeten, soviel Ungerechtigkeit und Unterdrückung, dass man fast dazu neigt, nur noch Soaps im Fernsehen zu schauen. Zumindest nach dem 11. September 01 ist Fernsehen nicht mehr wirklich, was es eh schon nie war. Ich selber bin auch schon eher für Tierfilme als für Nachrichten.

Auf unserer Bühne haben wir eigentlich immer noch eine Welt, wo der eine den anderen respektiert und wo Partnerschaften noch gelebt werden. Es ist auch allen klar, dass wir von einander abhängig sind. Das Arbeitsklima bestimmt, mit anderen Faktoren zusammen wie z.B. Technik, Essen, Gage, die Vorstellung eines Künstlers und nur eine gute Show gibt ein zufriedenes Publikum, und nur ein zufriedenes Publikum kommt wieder.

Im 2002 werden wir weiterhin viele Shows machen, auch eine Luftgitarrenmeisterschaft, eine Regionaltonwoche, eine Lesung mit Herrn Regener, einen Monat Madonna und eine Open Air Show am Güterbahnhof und… Tiger wird den Zinnteller von uns erhalten und ich möchte im Sommer 2002 einen Monat Pause machen.

Ansonsten bleiben wir uns treu und hoffen natürlich auch auf Eure. Denn: Hip kann man, selbst in der Showbranche auch mit 16 noch sein…

Ich wünsche Euch einen guten Start in den letzten Monat und rufe Euch zu:

ZU WEIHNACHTEN MÜSST IHR ETWAS MIT EI MACHEN…

Keep on Rockin

MC ANLIKER

MASTER OF TEENIETUS

MASTER OF HEARTBREAK WITH CAFE

MASTER OF THE NEVERENDING TOUR 86

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