Juni 2000

SCHÖNE NEUE WELT, VOLLER GELD! ALTE ZÖPFE SIND ZUM SCHNEIDEN DA UND THUN IST DEFINITIV EINE MODERNE STADT. GEDANKEN ZU HIP HOP, POLITFLOP, ZEK UND ZACK.

Hey, tschou, wo bisch itz grad? Ig, ig bi itz grad im Mogga u äs schpiut ä Bänd. He, i verschtah di schlächt… Handy macht’s möglich! Nun, blöde Menschen hat es in allen Evolutionsstufen gegeben. Zu Denken gibt mir diese Situation gleichwohl, denn im Moment läuft auf dem Kommunikationsmarkt weltweit eine gnadenlose Entwicklung in einem Tempo, das selbst unkritische Fortschrittsgläubige zwischendurch in Erstaunen versetzt. Letzte Woche wurde im Mokkakeller das Publiphon von zwei Swisscom Monteuren demontiert und auf die Halde gefahren. Über 20 Jahre war im Haus Allmendstrasse 14 eine solche Münzstation in Betrieb, über CHF 1000.– jährlich war nur schon die Miete des Apparates. Vorbei sind die Zeiten, wo Mann/Frau noch mit 20-Rappenstücken in der Hand der Mutter zuhause ein Märchen erzählte, warum es nicht möglich ist um 01.00 Uhr zuhause zu sein. Noch vor vier bis fünf Jahren wurde von diesem Telefon aus in die halbe Welt telefoniert, unsere internationalen Gäste benutzten einen Discobesuch im Mokka um gleich noch zu Hause anzurufen. Sri Lanka, Ghana, Lyberia, Indien, Bosnien, Kosovo usw. hiessen die Destinationen, die hinten auf der Telefonrechnung fein säuberlich aufgelistet waren (aktuelle Geschichte ist interessant!). Seit Monaten war das Telefon zeitweise tot und seit zwei Monaten ganz abgestellt. In dieser Zeit meldeten sich ca. sechs Personen bei uns. Der Rest hat sich mit einem Handyhalter befreundet oder selber ein Spielzeug gekauft, das heisst, sich eines schenken lassen. Und somit ist wieder eine Geschichtsepoche angehakt. Fertig, Furt!

Schöne neue Konsumwelt, soweit das Auge reicht und soweit die Ohren hören. 600 SMS monatlich (Short Message Service ist eine Art megakomplizierte Schreibmaschine auf dem Handy, ermöglicht z.B. einem 3/4 Analphabeten eine Nachricht wie: <Halo wo bis Du?> an einen ebensolchen zu senden) sind für einen Schweizer Teenie keine Seltenheit. Handy-Rechnungen zwischen CHF 400.– und 700.– sind Norm. Familiendramen sind vorprogrammiert. Es ist anzunehmen, dass die Mobilanbieter namhafte Beträge, die sie sich bei jungen Kunden ans Bein streichen müssen, in ihre Budgets aufnehmen. Genau wissend, das sie mit ihren aggressiven Werbemethoden Leichen produzieren. Ist ja alles so easy. Super, Nokia Gold ZS3 im Wert von CHF 835.–, dazu ein kleiner Taschenfernseher von Casio, eine Männeruhr + eine Frauenuhr alles zusammen im Wert von CHF 1230.–, gratis! Bei Abschluss eines 12 Monate Abos beim Anbieter! Es stellt sich bei solchen Kuhhändeln automatisch die Wertfrage. Das Erschreckende an dieser Entwicklung ist der Umstand, dass in der Schweiz jeder der drei Mobiltelefonanbieter ein eigenes Antennennetz erstellen und betreiben muss. Mit 2’100 Antennen für einen Wirkungsgrad von 95%, pro Anbieter wird gerechnet. Das heisst, das schon 2002 über 6’000 Mobilfunkantennen in unserer Alpenrepublik rumstehen werden und 24 Std. senden und empfangen, senden und empfangen… up and down, up and down. Was für Auswirkungen diese Strahlendichte dereinst auf uns, unsere Umwelt und unsere Zukunft haben wird, steht in den Sternen und wird im Moment auch ziemlich verniedlicht. Schöne neue Welt! Ich stelle mir manchmal vor, wie das aussehen würde, wenn die Funksignale optisch sichtbar wären, Swisscom in Blau, Orange in Orange und Diax in Gelb, dazu noch der Polizeifunk in Grün und Autonavigationssysteme in Neonblau und satellitengesteuerte Uhren und Maschinensteuerungen in Weiss und alle Wixschüsseln an Häusern und auf Balkonen und Dächern in Pink. Das gäbe ein ziemlich geiles Bild ab, sind wir ehrlich. Neuerdings werden ja selbst Rinderherden für die EU-Subventionsbeörde mit Satelliten überwacht, in dem man jedem Tier einen Sender, der zehn Jahre Lebensdauer hat, in den Körper einführt. Schöne neue Welt!

Wird in Zukunft wirklich die Hälfte der Erdbewohner <on Line> sein, werden wir wirkliche Virtual Reality Freaks? Cybersex sehe selbst ich als Traditionalist als Zukunftsform, weil ja schon heute Sex mehr beredet und vermarktet als praktiziert wird. Die Technogeneration lebt ja  keuscher als die katholischen Priester in den 50er-Jahren. Finde ich eigentlich sehr schade, weil das Outfit eines Ravers kann ja wirklich sehr sexy sein.

Mehr Sex würde ich auch den Thuner Home Boys wünschen. Im Hip Hop sind ja Männer das Wichtigste und die <Tschiks> – sogenannte Flygirls – sind ja nur zur optischen Aufwertung da. Hey, die gseht itz hueregeil us… bezieht sich weniger auf das Sexuelle, weil ja heute sowieso alles megageil ist. Würden die Homies mehr mit Mädchen rummachen, müssten sie weniger Makertum zelebrieren, würden weniger Kiffen und weniger Zeken, eh sorry, <Tägs-Malen> und wären sehr wahrscheinlich weniger laut! Neben dem <Voll-Tägen> ganzer Flächen unseres Clubs, neben dem Vollspuken des halben Vorplatzes und dem ziemlich demonstrativ-arroganten: Hey Mann, was isch los? Hey, keh Schtress! Gibt es jetzt noch eine neue Beschäftigung und das ist die des laut Brüllens, <Möögge> würden wir dem auf Berndeutsch sagen und so tönt es auch. Einer, meist der Intelligenteste, fängt an, ein Zweiter stimmt ein und bald schon sind 10-15 Vollidioten am Brüllen und zwar lauter als Tarzan. Ich weiss auch nicht, wo diese Unsitte herkommt, ich muss nur annehmen, dass dies eine Art von Balzritual sein muss und die Jungs die Hoffnung in sich tragen, vielleicht so zu einer Frau/Freundin zu finden, weil doch letztendlich auch die härtesten dieser Jungs lieber eine Freundin hätten, die ihnen die Fertigpizza in die Mikrowelle schiebt und mit der sie Big Brother® schauen könnten. Immer dies Joints runterziehen, immer auschecken, wo noch irgendeine Rauferei entstehen könnte und dann… immer die Kunstharzfarbe an den Händen! Scheisse! Und eins dürft Ihr Kopfnicker nicht vergessen: Alle die coolen Gansta-Rappers auf MTV und VIVA sind auch nur so cool, weil es so im Drehbuch des Videos steht.

Definitiv uncool sind die Anlässe, die die Stadt Thun durchführt. Dies wurde uns am Markt der Freundschaft, Samstag 20. Mai 2000, wieder einmal ganz klar vor Augen geführt. Die Moderne existiert dort nur in der Form eines Funkmikrophones, über das aber dann auch nur ziemlich Veraltetes verbreitet wurde. Super, wie das abging. Heute Montag, 22. Mai konnten wir noch lesen, dass da ca. 35’000 Personen in der Stadt gewesen sein sollen… Kuhglocken, Älplermakkaronis, Fotzelschnitten, Seidenstickereien und Trachten… das ist immer noch das Bild, dass allen Fremden mitgegeben wird, super! Thun 2000, Ihr habt den Anschluss an die Zukunft geschafft. Warum war eigentlich der Stadtpräsident nicht mit einer Drehorgel im Jahrtausendwende-Outfit auf der Strasse oder hinter einem Bratwurststand? Hätte doch so gut gepasst und auch gut ausgesehen. Wie moderne Events aussehen und wie sie gut und publizitätsfördernd durchgeführt werden können und sollen, zeigte uns Anfang Mai das Warenhaus Loeb. Als Shootingact liessen sie einen verrosteten, alten amortisierten Baukran auf ihre Aarebrücke umfallen… sauber berechnete Flugbahn in die Aaremitte! Und dann ging‘s aber ziemlich ab in Thun. Ich habe gar nicht gewusst, dass wir in der Schweiz so attraktive Kranwagen und Zugfahrzeuge haben – und solch innovative Krisenmanager! Ja, es geht ja nichts über richtig geile Events, Herr Loeb. Im Namen der Thuner Jugend und der Polytoxikomanenszene auf dem Mühleplatz, denen sie wirklich wiedereinmal etwas anderes, realeres als Blicklesen geboten haben, möchte ich Ihnen ganz herzlich danken. Nur wenn ich Sie wäre, beim nächsten Event müssen sie den Hut kreisen lassen, da wäre einiges an ausländischem Kleingeld und toll was in Naturalien dringewesen. Dies nur so als Anmerkung.

Den Hut hat auch – ziemlich unfreiwillig zwar – unser Eventmanager genommen. Was von Anfang an abzusehen war, ist genau so eingetroffen. Jahrzehntelang auf die hanebüchenste Art und Weise etwas rumkücheln, Ferienkultur aus dem letzten Jahrhundert praktizieren, Entwicklungen noch und nöcher verschlafen um dann das Ei des Kolumbus aus der Hosentasche zu ziehen… Hokuspokus Fidibus u ig gheie nid uf d Nuss. Eine Person mit einem mittel-mageren Gehalt anstellen, ihm keinen Support geben, kaum Zeit lassen und erwarten, dass er die Olympischen Spiele 2004 ins Lerchenfeld oder auf die Thuner Allmend holt, im Alleingang und ohne Geld! Wenn ihm das nicht in drei Monaten gelingt, ist der Mann sowieso unfähig und Tschüss! Das Thun Tourismus wenig von Management versteht, erstaunt nicht weiter. An deren Spitze ist der gleiche Manager wie beim FC Thun und der ist ja auch so gut gemanagt. Gut, dort wird jetzt mit sportlichem Erfolg der Scherbenhaufen kaschiert.

Kaschiert und beschönigt wird in Thun noch ein anderes Phänomen, nämlich die Drogenszene, oder besser, Polytoxikomanenszene Mühleplatz Nord in der Thuner Innenstadt. Tschau zäme, kann man da nur sagen. Leute, geht einmal ganz genau hinschauen, es ist wirklich unglaublich, welche <Kabütti> sich dort Tag für Tag beobachten lässt. Und da der Rest oder der vordere Teil des Platzes vor allem von jungen kiffenden Kids benutzt wird, ist die Gefahr der Vermischung mit dieser Szene sehr gross, hier eine Tablette, da <chli Schuger u chli Goggi> und alles immer schön mit Alkohol spülen, sonst hat Mann/Frau ja nie eine richtige Scheibe, weisch wini meine? Den Bürgern dieser Stadt sind viele Sachen in ihrer täglichen Umgebung ziemlich egal. So auch, was mit ihren Plätzen passiert, man geht dann einfach nicht mehr hin. Schade, hier wäre eindeutig mehr Zivilcourage angesagt!

Zivilcourage hat auch die Stadtkasse Thun, seit Wochen werden wir durch diese Institution mit Bussen, geschätzten Rechnungen und Betreibungen bombardiert und kein Ende in Sicht. Es geht um Steuern für ausländische Künstler/innen, die nun rückwirkend bis 1996 von uns abgedrückt werden sollen. Wenn die Stadt Thun auf dem Vollzug beharrt, sind wir in fünf Monaten Pleite und schliessen unsere Türen für immer. Das ist diesen Paragraphenreitern scheissegal, weil sie Bürolisten sind sollten auch wir zu Bürolisten mutieren, weil doch nur Bürolisten gute Leute sind. Es wird in diesem Land immer schwieriger abzudrücken, kreativ zu sein und etwas zu realisieren, das ein wenig neben der engen Norm vorbei geht. Nur, Kultur muss neben der Norm sein, sonst ist sie langweilig, nichtssagend und systemerhaltend.

So Leute, jetzt habe ich meinen <Leute ans Bein pinkeln>-Plansoll für diesen Monat erfüllt und auch ein paar wirklich heisse Formulierungen zustande gebracht. Sind wir ehrlich! Was mir noch bleibt, sind höchstens ein paar Zeilen und eine Empfehlung: Also am Sonntag, den 18. Juni haben wir als letzte Show der Saison eine sensationelle Musikgruppe aus der <Ilha  de Mosambique> – einer Insel im indischen Ozean – zu Besuch. Der Eintritt beträgt CHF 18.–, dies ist eine gute und günstige Gelegenheit, einmal die Eltern oder den Vermieter, den Chef oder den Bewährungshelfer zu einem Konzert einzuladen.

Eyuphuro, Seguro Ombres!

Einen schönen Juni wünscht Euch Euer

MC ANLIKER

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