April 2001

CLUBBING IN DER KRISE. KURSKORREKTUR IN DER GASTRONOMIE UND GERBEREIEN GIBT ES WIE REHE IM WALD… EINE WAHRE GESCHICHTE, IM STUNDENLOHN GESCHRIEBEN (ANALOG)

Kaum hat das Schweizer Fernsehen „Das Selve Wunder“ und „Thun als Ausgehstadt“ entdeckt und Minisendungen darüber gemacht, ist dieses Wunder auch schon vorbei. Wundert Euch nicht, wenn Ihr an einem Donnerstag- oder Sonntagabend in unseren Club kommt. Über die fast gähnende Leere in den Räumen. Wo früher die Leute sich auf den Füssen rumstanden kann heute Boccia gespielt oder Karate trainiert werden. Und so gähnend leer wie die Räume, sind dann bei den Abrechnungen auch unsere Kassen. Der Gewinn eines solchen Abends zahlt knapp vier Stunden Energieverbrauch eines solchen. Kennt man zwar von Swissair und Co., aber: Es ist ja nicht gerade motivierend, wenn man sieht, wie einem die Felle davon schwimmen und dort bei der Flussbiegung hinter dem grossen Stein verschwinden. Da steht man da und denkt: Warum schwimmen gerade uns die Felle davon? Hat es nicht genügend Gerbereien, die schlechte Preise für die Häute zahlen? Die die Felle schlecht gerben? Schlechtes, brüchiges Leder zu überrissenen Preisen verkaufen? Und sonst noch andere Schweinereien produzieren? Gut, muss man sich an der eigenen Nase nehmen? Fehler suchen? Situationen analysieren und die Geschäftspolitik wechseln? Aber was dann? Ein Eventladen oder CAFÉ/BAR MOKKA als Partylocation zum Mieten oder Singlepartys vo dr „Ring i dr Chötti“, Jungpartei-Tage und Apéros in Zusammenarbeit mit der Sarner Cristall AG Uetendorf? Diese Fragen stelle ich mir zum Glück noch nicht. Aber die Sinnesfrage immer öfter. Zum Beispiel dieses Programmheft… Seit 1991 machen wir das Heft in diesem eigen- und einzigartigen Stil, das aufwendig (altdeutsch) produziert wird (hier von zwei Personen und in der Druckerei geht es noch durch ca. sieben Paar Hände). Und das mit Kosten von Fr. 2.20 (ohne unsere Arbeit gerechnet) pro verschicktes und ca. Fr. 1.20 pro aufgelegtes Exemplar, was fett in die Kohle geht. Verschicken tun wir das ja gerne und die Verpackungsarbeit ist eigentlich der einzige kollektive Akt, der fünf bis sieben unserer Mitarbeiter/innen, zur gleichen Zeit, an einen Tisch zusammenbringt. Was ja durchaus positiv ist. Nur, da ist ein Punkt! Wenn ich mal so einen Karteiausdruck anschaue und mit meinem altersschwachen Gedächtnis durchgehe, da sehe ich lauter Namen von Leuten, die das letzte Mal um 1875 hier bei uns als Gäste waren! Es ist ja ok, wenn man keine Live-Musik mehr braucht, aber warum zum Teufel muss dann 120 Jahre ein Programmheft von uns im Briefkasten liegen? Etwa, dass man sehen kann, dass man nichts verpasst, oder etwa zum Sehen, dass es doch richtig ist, unser Lokal nicht mehr zu besuchen, weil ja das Programm schon lange nicht mehr so gut ist, wie vor dem 1. Weltkrieg? Oder geht es einfach um die Seite 2 im Programmheft? Das wäre dann aber einfacher zu haben! Für solche Fälle könnten wir Seite 2 und eine Programmübersicht per E-Mail an Euch schicken. (Postkarte an uns, und das wird gehen… Ehrenwort!)

Ehrlich, liebe Leserinnen und Leser, wenn es unter Euch Leute gibt, die unsere Dienstleistung nie und nimmer beanspruchen und auch auf das Programmheft von CAFÉ/BAR MOKKA verzichten können, teilt es uns mit! Denn unsere Werbekosten stehen schon lange in keinem vertretbaren Verhältnis zu unserem Ertrag. (Die Alternative wäre, ein Trash-Programm zu drucken mit Biersponsoren drauf, etwas, was wir aber nicht wollen!) Es stellt sich halt schon manchmal die Frage, wie lange man etwas am Leben erhalten kann, das eigentlich sterben müsste. Qualvoll eingehen, austrocknen und abliegen müsste, weil niemand mehr die Spritzkanne füllen und das Wasser ausgiessen will, über die zarten Pflanzen. Für mich als Booker für das Mokka-Programm wird es auch immer enger. Auf Ende April und Ende Juni stellen zwei Agenturen, mit denen wir viel, gut und persönlich zusammenarbeiten, ihre Aktivitäten ein, weil sie noch nie wirklich überleben konnten von und mit ihrer Arbeit. Es ist natürlich klar, dass es zwei Agenturen sind, deren Angebot sensationell gut, aber halt weitab vom Mainstream ist. Da ist Alain Meyer aus Genf, der mit seiner Agentur Vendetta (Blutrache) so manche Perle auf unsere Bühne gebracht hat. Ekova, Sophie Moleta, Khan, Sugarman 3, T-Model Ford, Dead Brothers, Bob Log III, und viele mehr. Und da ist Christoph Lindner mit Geschäftspartnerin Dani, die in Konstanz die Agentur Planet Rock betrieben und die uns mit Jah Free, Strut Soundsystem, The Ruf und vielen anderen, Perlen des Worldwide Underground nach Thun brachten. Ich wage noch gar nicht daran zu denken, was ich ohne diese zwei Partner machen soll. Ich werde wohl langsam einsam mit meinem Weg, den ich durch den Kulturdschungel gehen muss. Auf alle Fälle: Merci beaucoup, Alain, pour toutes les années de travailler ensemble. Und lieber Christoph, liebe Dani, vielen Dank für alles. Und, denkt daran: Musik ist scheisse (Ich habe es schon immer gesagt…)! Alain Meyer bleibt dem Mokka zumindest als Discjockey erhalten… Michel Platiniste aus Genf.

Die Eventbranche wird immer mehr zu einem Spekulationsgebiet, wo sich Hammerfische und Geier jeglicher Art tummeln auf der Suche nach dem schnellen Gewinn, der in dieser Branche eigentlich fast nicht möglich ist. Trotzdem betreiben diese Leute Preispolitiken, die einfach dumm und schädlich sind, für die ganzen Clubs, denen es allen nicht sehr gut geht im Moment.  Von der Jugend, die ja unsere Zukunft sein sollte, ist nicht wirklich eine Besserung zu erwarten in Sachen Livemusik. Die Kidis signalisieren keine Offenheit oder übermässiges Interesse an unseren Musikprogrammen, eher am Freiraum Allmendstrasse 14 als solches, was ja auch völlig verständlich ist. Nur, dass dieser Freiraum auch immer wieder erkämpft werden muss und auch nur gelebt werden kann, wenn alle zusammen arbeiten und auch selber ein Verhalten haben, das Verantwortung gegenüber den Mitmenschen und Sachen, die einem wichtig sind beinhaltet, bedenkt niemand. Das Motto: „Hey Mann, isch doch mir scheissegal…“ darf nicht Überhand nehmen, sonst können wir den Laden eh zumachen. So unrealistisch, wie das – mir leider unbekannte – Verwaltungsratsmitglied vom Alpenrösli kann man aber nicht wirklich sein. Die gute Frau, die hier wohl noch nie an einem Sommerabend war, wollte doch allen ernstes einen Zaun (aus Bioblumen) zwischen den beiden Betrieben CAFÉ/BAR MOKKA und Alpenrösli ziehen… wohl um mehr Umsatz auf der Rösliseite zu erzielen (Hey, selten so gelacht…). Wir sind auch für einen Zaun, aber bitte 2.80 m hoch und oben Natodraht drauf und dann kaufen wir Mitte September ‚Das Rösli’ aus der Konkursmasse (Den Zaun verkaufen wir dann einem Hanfbauern).

Da sind wir auch schon beim Stichwort Sommer 2001! Ich freue mich nicht wirklich darauf, weil die Siffszene vom Mühleplatz immer mehr negativ auf unsere Gäste abfärbt und ihr Verhalten mehr und mehr gleich wird, wie dort. Eines weiss ich aber heute Freitag, 30.3.01 ganz sicher: Es gibt keine 15 Jahre Feierlichkeiten! Null Bock auf 300% Stress und… das Geld ist im Moment sowieso anderweitig gefragter. Also vielleicht dann nächstes Jahr, mit 16 Jahre CAFÉ/BAR MOKKA!

Ich wünsche allen Lesern und Leserinnen einen frühlingshaften April und ein erfülltes Leben… lang lebe Langnese.

Herzlich Euer

MC ANLIKER

MASTER OF SPRING ENERGY DAYLONG

MASTER OF THINKING ABOUT THE FUTURE

CAFE BAR MOKKA

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